Mittwoch, 3. Oktober 2007

Ramadan karim!

Seit drei Wochen schon steht hierzulande die Welt kopf, und seit drei Wochen schon nehme ich mir vor, diesen Zustand in Worte zu fassen.

Da wäre zunächst der völlig verdrehte Tagesablauf. Vor zwölf Uhr mittags ist kaum jemand auf der Straße, alle Geschäfte haben zu, die Stadt liegt in tiefem Schlummer. Nachmittags geht man halbherzig und hungrig seinen Verpflichtungen nach, doch je näher der Sonnenuntergang rückt, desto hektischer wird die Stimmung. Scharen von Frauen drängen sich beim Bäcker und im Greißler am Eck, die Männer versorgen sich mit Qat. Alle haben es eilig, denn bald darf endlich wieder gegessen werden...
Bei Einbruch der Dunkelheit gibt der Ruf des Muezzins das Startsignal zum Iftar, dem Fastenbrechen. Man beginnt mit einer Dattel – die hierzulande als Paradiesfrucht gilt - und einem Glas Wasser. Dann folgen in Fett ausgebackene Teigtaschen (Sambusas), die den ersten Hunger stillen sollen, bis nach dem Abendgebet das Festmahl mit traditionellen Ramadanspeisen beginnt. Freunde und Verwandte besuchen sich gegenseitig und essen gemeinsam.

So still es zur Zeit untertags ist, so lebendig ist es nachts – da wird gearbeitet, gefeiert, gefeilscht und gelärmt. Kinder spielen bis lange nach Mitternacht auf den Strassen, werfen Knaller und entzünden kleine Feuer. Sogar Frauen sind zuhauf zu sehen, vor Allem auf den Märkten und Einkaufsstraßen – denn nach Ramadan kommt der Eid, anlaesslich dessen man sich von Kopf bis Fuß neu einkleidet. Reminiszenzen an die Mariahilfer Straße am vierten Adventssonntag werden wach...
Viele Jemeniten bleiben bis zum ersten Gebet kurz vor Sonnenaufgang wach, frühstücken noch einmal, und legen sich dann ins Bett, wo sie bis mittags oder gar länger bleiben – was den großen Vorteil hat, dass die Zeit des Fastens um etliche Stunden verkürzt wird...
Andere arbeiten wiederum, obwohl sie den ganzen Tag weder essen noch trinken, ganz normal, was ich maßlos bewundere. Die Erschöpfung steht diesen tapferen Helden aber ins Gesicht geschrieben... mein Arabischlehrer bekam beim Deklinieren des Verbs „essen“ einen so sehnsüchtigen Blick, dass ich vor Mitleid verging, und neulich im Taxi sah ich im Rückspiegel, wie die Augen des Fahrers immer kleiner und kleiner wurden, was mich auf einmal zu ungeahnter Gesprächigkeit im Arabischen befähigte... ist diese Sprache also doch zu etwas gut!

Die allgemeine Stimmung wird mit Fortschreiten des Ramadan spürbar gereizter, die Menschen wirken - vor Allem gegen Ende des Tages - unausgeglichen. Im Strassenverkehr wird mehr gebruellt, NOCH mehr gehupt als sowieso immer schon, und laut Zeitung häufen sich auch die Unfälle. Vor ein paar Tagen stand plötzlich ein Militärlaster genau vor unserer Tür, inklusive acht Soldaten mitsamt Kalashnikovs auf der Ladefläche... als ich Hassan, unseren Hausverwalter, danach fragte, zuckte er nur mit den Schultern und meinte „Es ist Ramadan!“. Inzwischen haben sich diese neuen Nachbarn schon gut ins Straßenbild eingefügt und grüßen mich freundlich... Meine Mitbewohnerin beschwert sich in letzter Zeit öfter ueber unverschämte Männer - ein Problem, das hier ansonsten, verglichen z. B. mit Rom, kaum ein Thema ist.
Kurzum, alle spielen ein bisschen verrückt...

Aber der Ramadan hat durchaus auch seine guten Seiten. So versorgen uns Hassans Töchter fast täglich mit frischen Sambusas, am Vormittag ist es herrlich still, und die Arbeit im Ministerium beginnt erst um 10 Uhr. Ich habe in den letzten Wochen aber sowieso nachts gearbeitet, unsere Workshops in der Hauptstadt waren eine eher zaache G'schicht, viele Organisationen haben im letzten Moment abgesagt oder sind einfach gar nicht gekommen, die Arbeitsmoral meiner Studenten war im Keller, und meine ebenso.

Deswegen, und weil wir ueber Eid einige Tage frei haben, UND weil ich mir damit einen Traum erfülle, hab ich kurzerhand beschlossen, für zwei Wochen nach Äthiopien zu fliegen! Am Freitag geht es los, ich bin schon furchtbar gespannt. Der nächste Bericht wird dementsprechend anders ausfallen...

Und weil's so schön war vorletzte Woche im Haraz-Gebirge, hier ein paar Photos.
Zuletzt noch ein shout out an Soldier Women, Lucky und Uchti – war grandios mit euch!!!

Leni



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