Sonntag, 27. April 2008

Good Bye Yemen

Tempus fugit... Man stolpert von einem Tag zum anderen, und ehe man sich’s versieht, beginnt hier auf einmal die Regenzeit mit ihren sintflutartigen Wolkenbruechen, und in der fernen Heimat bluehen die Kirschbaeume.

Ferne Heimat..? Acht Tage trennen mich nur noch von Oesterreich, eine Tatsache, die mich abwechselnd mit Erleichterung und Schrecken erfuellt. Erleichterung, weil ich dann endlich wieder die Geborgenheit von Familie, alten Freunden und vertrauter Umgebung geniessen kann. Erleichterung, weil ich der sich stetig verschlechternden Sicherheitssituation im Lande entkomme.
Schrecken, weil mir nun zahllose tragische Abschiede von lieben Freunden, Kollegen, Nachbarn und Bekannten bevorstehen. Weil mir dieses verrueckte Land unglaublich ans Herz gewachsen ist und ich mich in all dem Chaos und der Exotik doch ein bisschen zuhause fuehle. Weil ich noch so viel erledigen muss...

Wie soll man nach einem einjaehrigen Aufenthalt in ein paar Tagen die Anker lichten? Wie loese ich die zahllosen Vertaeuungen, die mich inzwischen fest ans einst so fremde Land binden - einfach entknoten, fein saeuberlich zusammenrollen, die Segel setzen und den Heimathafen ansteuern?

Fehlen werden mir vor Allem Menschen. Meine lieben Nachbarinnen, mit denen ich literweise Tee getrunken, spannende Diskussionen in gebrochenem Arabisch gefuehrt und auf so mancher Hochzeit getanzt habe, und die mich trotz meines fuer sie unverstaendlichen Lebens (kein Mann, keine Kinder, kein Islam) so ruehrend aufgenommen haben.
Meine Jemeni-Jungs und die Chill-Sessions im besten DVD-Shop des Landes, zielloses Herumcruisen und Fast-Food-Essen...
Mein Lieblings-Taxifahrer Ahmed, der als stiller Beschuetzer vor meinem Haus wachte und sich auf jeder Fahrt meiner arabisch-musikalischen Bildung annahm.
Die vielen netten Auslaender, die ich hier kennegelernt habe, und die mir vor Allem dann eine wichtige Stuetze waren, wenn ich eine Jemen-Overdose hatte...
Mein Forschungsteam - Dr. Bin Afif, Abdelrahman und "meine" Studenten. Trotz einiger Turbulenzen, Revolutionen und Tiefpunkte waren die zwei Monate Feldforschung eine unglaublich lustige und spannende Zeit, in der ich sehr viel gelernt habe: von Sana’ani-Slang ueber Landeskunde und Gruppendynamik bis hin zur Kunst des Kopftuchbindens.
Fehlen wird mir die Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit, die einen hier immer wieder verbluefft, das jemenitische Essen, die Landschaft, die Herausforderung, der ueberzuckerte Tee, die traumhaft schoene Altstadt, der Ruf des Muezzins, und die Art, mit Humor und Flexibilitaet Probleme anzugehen.

Was mir sicher nicht abgehen wird, ist der Smog, die omnipraesente Armut, der nervenaufreibende Laerm und Verkehr, Checkpoints, Waffen und Soldaten, die vielen Qat-kauenden Maenner, die ueberall herumlungern und einen dazu zwingen, auf den Strassen Slalom zu laufen, das Gefuehl der Fremdheit, die Tatsache, dass ich staendig wallende Gewaender tragen muss und trotzdem so viel Aufmerksamkeit errege wie eine Brasilianerin in hot pants auf der Kaerntnerstrasse...

Es ist sicher noch zu frueh fuer ein Fazit meines Jemen-Jahres. Eine italienische Freundin, die vor einem Monat nach Europa zurueckgekehrt ist, schreibt: du wirst erst zu Hause bemerken, wie sehr dich diese Erfahrung veraendert hat. Ich bin gespannt...

Bis bald!
Leni

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