Sonntag, 5. August 2007


Ich lebe noch!

Nachdem dieser Blog, kaum eroeffnet, schon dem Verfall preisgegeben wurde, starte ich hiermit einen Revitalisierungsversuch. Sollte es noch Menschen geben, die ab und zu hereinschauen, sollen sie wissen, dass ich noch lebe und dabei bin, Staub und Spinnen ihr Territorium wieder abzukaempfen...

Seit einer Woche bin ich mit meinem Team – 7 Studenten, die ich zu Forschern hochgezuechtet habe, meinem Mentor Dr. Bin Afif, dem Computerprofi Abdul Rahman, der sich ganz nebenbei um alles andere kuemmert, 2 Fahrern mitsamt Jeeps – auf Tour durch den Sueden des Landes. Falls jemand einen Atlas bei der Hand hat: unsere Stationen sind Ad-Daleh, Aden, Lahj, Abyan, Mukalla, Al-Mahra, Seiyun und Marib (wohin ich nicht mitfahren darf, da die Provinz seit dem Bombenanschlag vor einem Monat fuer Auslaender gesperrt ist).
Die Tage sind sehr dicht, jeden Tag kommen ca. 6-8 Jugendorganisationen zu unseren Workshops. Die originellste bis jetzt war wohl die "Dove Racing Association", die in der Taubenzucht zwecks Veranstaltung von Wettfluegen eine sinnvolle Strategie erkennt, um Jugendliche von Qat und Kriminalität abzuhalten....
Ich bin fuer die Aufnahme und Analyse der Informationen verantwortlich, und sitze oft bis spaetabends vorm Computer. Hier in Aden allerdings in wunderschoener Umgebung: jeden Abend fahren wir an den Strand. Die Burschen kauen Qat, der sie zu vorgerueckter Stunde dazu inspiriert, arabische Liebesschnulzen zu traellern, und wir Maedchen machen lange Spaziergaenge. Eine unserer Studentinnen ist Sprint-Nationalmeisterin und hat mich gestern sogar zum Joggen animiert... war eine sehr unwirkliche Situation, zwei Gestalten in bodenlangen schwarzen Abbajas, die bei Vollmond den Strand entlanglaufen...

Aden, die vormalige Haupstadt des kommunistischen Südjemen, ist vor allem eines – heiss. Hinzu kommt eine erdrueckend hohe Luftfeuchtigkeit, die einem die Kleider am Leib festklebt und einem das Gefuehl gibt, man sei nicht nur physisch, sondern auch geistig von einem dichten Dunstschleier umnebelt... diese Umstaende haben dazu gefuehrt, dass nun auch ich der vormals verachteten Air Condition einigen Respekt entgegenbringe.

Aden liegt im Krater eines erloschenen Vulkans, der heute eine Halbinsel bildet. Die Alstadt ist von allen Seiten von Lavawaenden eingeschlossen, die sie vor feindlichen Angreifern schuetzten. Das Strassenbild ist gepraegt von kleinen Geschaeften und fliegenden Haendlern, den ueblichen Frauen in Schwarz, Maennern, die in Gruppen am Boden sitzen und Qat kauen, und auffallend vielen Bettlern, die auf Stiegen, in Hauseingaengen und auf Plaetzen ihr Lager aufgeschlagen haben. Viele von ihnen sind Fluechtlingen aus Somalia und anderen nahen afrikanischen Laendern, aber Aden scheint auch ein Sammelbecken fuer gestrandete Jemeniten zu sein. Am schlimmsten trifft es Frauen, die gegen die hier herrschenden strengen sozialen Normen verstossen haben und dadurch den Rueckhalt ihrer Familie verloren haben. Wer im Jemen keine Familie hat, ist ein Nichts. Nur ueber die Familie besitzt ein Mensch hier Identitaet, Achtung und Schutz.
Leider muss ich los, drum ein abrupter Schluss... hoffe, euch bald mehr erzaehlen zu koennen!

Alles Liebe,
Leni

Aden

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

liebes lenchen

gerade aus dubrovnik gekommen habe ich mir deine neuen, literarisch sehr wertvollen, einträge angeschaut.
sehr interessant wie du schreibst - taubenwettkämpfe - auch eine möglichkeut jugendliche zu beschäftigen :-)
dein abbayas steht dir übrigens sehr gut - und ohne kopftuch schaut es auch nicht ganz so düster aus
ich hoffe es geht dir gut und auch mit dem tinitus!

ich denke an dich und werde nun voller erwartung immer wieder auf deinen blog schauen

dickes dickes bussi laya

Leni hat gesagt…

danke liebe laya!
hoffe, du hattest es wunderschoen in dubrovnik! mein tinitus summt stur weiter, und ich ignoriere ihn ebenso stur - mal schaun wer gewinnt... bin gerade ganz im sueden, tuckern hier noch bis anfang naechster woche herum, dann 2 tage pause in sana'a, freu mich schon!
viele dicke bussis
leni